Die Bedeutung des Alters der Frau für die Schwangerschaftschance ist seit langem etabliert. 80 % der spontanen Schwangerschaften treten bereits in den ersten 6 Zyklen ein. Die Abnahme der Fertilität einer Frau beginnt ab dem 30. Lebensjahr, die Fertilität bei Frauen Ende 30 ist im Vergleich zu Frauen in den 20igern um die Hälfte reduziert. Die Abnahme der natürlichen Schwangerschaftswahrscheinlichkeit mit zunehmendem Alter spiegelt sich auch in den Erfolgschancen der IVF/ICSI-Therapie wider. Das Alter der Frau ist selbstlimitierender Faktor der Kinderwunschbehandlung. Zum Beispiel wurden in Deutschland für das ganze Jahr 2020 19 Geburten nach ICSI-Therapie bei 43-jährigen Frauen dokumentiert (437 Therapien).
Jedoch spielt auch der männliche, der sogenannte paternale Faktor eine relevante Rolle.
Die Samenqualität nimmt weltweit ab. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt seit über 40 Jahren Laborhandbücher mit dem Ziel einer weltweiten Standardisierung der Untersuchungsmethoden heraus. Mit der 6. Auflage des WHO-Laborhandbuches 2021 liegt eine aktualisierte Version vor. Die Änderungen der Referenzbereiche (untere Grenzwerte) für die einzelnen Variablen des Spermiogramms sind im Vergleich zu der 5. Auflage marginal. Die Angaben beziehen sich auf eine Population von Männern, deren Partnerinnen mit ihnen innerhalb der letzten 12 Monate auf natürlichem Wege eine Schwangerschaft erreicht hatten. Im neuen WHO-Laborhandbuch 2021 sind Daten einer größeren Anzahl von Männern aus zudem weiteren geographischen Regionen (neu: China, Ägypten, Griechenland, Iran, Italien) in die Auswertung eingegangen. Im WHO-Handbuch werden keine Indikationswerte für die ART angegeben.
Neue Daten unterstreichen die Relevanz des paternalen Alters.
Datta et al. 2022 untersuchten in einer retrospektiven Register Studie 2017-2018 die Relevanz des paternalen Alters bei IVF/ICSI-Therapien (Datensatz Human Fertilisation and Embryology Authority HFEA, UK). Ausgewertet wurden 18.825 frische homologe IVF- oder ICSI-Zyklen mit Single Embryotransfer (SET). Eingeschlossen wurden Paare mit idiopathischer oder tubarer Infertilität bei Ausschluss von männlichen Faktoren. Bei Frauen unter 35 Jahren waren die Schwangerschaftschancen unabhängig vom Alter des Partners. In der Altersgruppe 35 – 39 Jahre der Frauen wurden bei paternalem Alter ab 40 Jahren signifikant sinkende Schwangerschaftschancen dokumentiert. Bei Frauen < 35 Jahre ist die mögliche negative Auswirkung des paternalen Alters auf die Geburtenrate vermindert, jedoch nicht bei höherem Alter der Partnerin.
Der Einfluss von Lifestylefaktoren auf die männliche Fertilität ist zunehmend etabliert.
Andersen et al. 2022 untersuchten den Faktor Adipositas als Risikofaktor für andrologische Subfertilität. Bei 56 Männern (BMI 32 - 43) konnte durch Gewichtsreduktion von durchschnittlich 16,5 kg mittels Modifikation der Lebensstilfaktoren eine Zunahme der Spermienkonzentration erreicht werden. Der positive Effekt auf Ejakulatparameter konnte bei Männern, die keine erneute Gewichtszunahme zeigten, auch nach 52 Wochen bestätigt werden.
Die Untersuchungen unterstreichen die Bedeutung von Alter und Lebensstilfaktoren auch des Mannes auf die Schwangerschaftschance.
Quellen:
Datta et al. Does advanced paternal age influence live birth rate independent of woman’s age: analysis of 18, 825 fresh IVF/ICSI cycles from a national (HFEA) database Human Reproduction, Volume 37, Issue Supplement_1, July 2022, deac106.090, https://doi.org/10.1093/humrep/deac106.090
Andersen et al. Sperm count is increased by diet-induced weight loss and maintained by exercise or GLP-1 analogue treatment: a randomized controlled trial. Human Reproduction, Volume 37, Issue 7, July 2022, Pages 1414–1422, https://doi.org/10.1093/humrep/deac096
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